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Knockes großes Osterhasengeheimnis!

"Du bist langsam zu alt, um zu glauben, dass wir Osterhasen sind", müffelt  Knockes Mutter ungeduldig und wackelt mit ihren Löffeln.
"Du hast es mir doch selber immer erzählt", ruft Knocke und zerrupft wütend einen Farnstängel.

"Sei nicht albern", lächelt Mama Hase. "Es ist ein Märchen. Kleine Hasen hören gern Märchen, am liebsten das vom Osterhasen."
"Das glaube ich nicht", sagt Knocke trotzig.
"Dann eben nicht. Die Menschen glauben sowieso nicht mehr an Osterhasen. Wo sollten wir auch die vielen Eier herkriegen, he? Oder kennst du vielleicht eine Henne, die Schokoladeneier legt?"

"Wozu eine Henne?" fragt Knocke. "Osterhasen legen ihre Eier selber!"
 Seine Hasengeschwister lachen.
"Schau dich um", sagt Mutter Hase belustigt. "Die einzigen Eier, die wir legen können, sind klein und braun, und kein Kind würde sie als Osterei  haben wollen. Die Wiese ist voll davon!"
Hasenködel!  Knocke ist gekränkt. Immer haben sie ihm erzählt, wenn er groß genug wäre, dürfe er Ostern die Eier verstecken. Morgen  ist  Ostern, und er  ist  groß genug, und nun wollen sie ihm weismachen, das alles sei nur ein Märchen.  Niemals!  Er, Knocke, ist ein Osterhase, das steht fest. Aber in einem Punkt hat Mama leider recht: Woher bekommt ein Osterhase seine Eier? Das ist ein Problem.

Der kleine Berg über der Wiese ist ein herrliches Plätzchen zum Schmollen. Unten schlängelt sich die Straße entlang, die zum Ort führt. Ab und zu rauscht ein Auto vorbei. Knocke verputzt gerade einen Löwenzahn, als ein Lastwagen die Straße entlangdonnert. Hui, ist der schnell, denkt Knocke noch, da gerät der ins Schleudern und kommt quietschend auf der Wiese zum Stehen. Knocke stellt sich erschrocken auf die Hinterläufe. Dann brummt der Motor auch schon wieder auf und der Lastwagen rollt zurück auf die Straße.
Knockes Hals wird noch länger. Beim Bremsen ist etwas von der Ladefläche gerutscht und liegt nun im Gras. Eine Kiste! Mit ein paar Sätzen ist Knocke da und staunt nicht schlecht. Die Kiste ist zerbrochen und rund herum verstreut liegen hunderte bunter Ostereier, so als würde die Wiese blühen. Knocke macht einen Luftsprung. Das Geheimnis der Ostereier ist gelüftet!  Die großen Lastwagen bringen sie! Eifrig deckt er seinen kostbaren Fund mit Grasbüscheln und Zweigen zu.

Er verrät keinem etwas. Sobald es aber dunkel wird, macht er sich leise an die Arbeit. Es war eine sehr große Kiste. Knocke ist die ganze Nacht damit beschäftigt, die vielen bunten Eier im Dorf zu verstecken. Als er erleichtert das letzte Ei unter eine Primel schiebt, dämmert bereits der Morgen.

Die anderen haben die schöne Osternacht verschlafen. Selber schuld! Als Knocke heimkehrt, kriechen gerade die ersten gähnend aus ihrem Bau.
"Wo hast du dich herumgetrieben?" empfängt ihn seine Hasenmutter voller Sorge. "Kleine Hasen gehören in den Bau, wenn es dunkel wird!"
"Nicht zu Ostern!" sagt Knocke stolz.
„Oh nein, fang nicht wieder damit an", stöhnt Mutter Hase.

"Doch", ruft Knocke übermütig. "Ich habe die ganze Nacht Ostereier versteckt: Marzipaneier, Schokoeier, Nougateier und sogar Schnapseier waren dabei."

"Knocke, hör auf zu schwindeln", sagt Mutter Hase ärgerlich. "Hasen, die schwindeln, bekommen lange Ohren."
Aber Knocke hat sowieso längst lange Ohren.
"Ehrenwort", beteuert er. "Komm mit. Gleich werden die ersten Kinder meine Ostereier suchen. Ich zeig es dir!"
Begeistert hoppelt er davon. Mutter Hase seufzt, aber sie beeilt sich doch, Knocke auf den Fersen zu bleiben. Neugierig ist sie schon, was dahintersteckt.

Die dichte Buchenhecke ist ein gutes Versteck.
"Von hier aus können wir alles beobachten", wispert Knocke und wackelt aufgeregt mit den Löffeln.
Kurz darauf schon hören sie die ersten Stimmen. Ein Mädchen steckt den Kopf aus der Tür. Es trägt einen blauen Pyjama und umklammert mit der Hand ein Osterkörbchen. "Ich suche im Garten", ruft es.
"Sei nicht albern, Luisa", ruft eine Männerstimme. "Du weißt doch, dass es keinen Osterhasen gibt. Das ist ein Märchen!"
"Ich guck trotzdem nach", ruft Luisa und schon verschwindet sie im Gebüsch.
"Luisa, komm sofort wieder ins Haus, wir haben keine Eier im Garten versteckt. Du holst dir höchstens einen Schnupfen."
Doch Luisa stößt bereits den ersten Freudenschrei aus.
"Ich hab‘ eins!" Sie streckt ihrem Vater ein großes Marzipanei entgegen.
"Wo kommt denn das her?" fragt der verblüfft.
“Hier ist noch eins, und hier und hier ... " Luisa flitzt kreuz und quer wie ein Wiesel durch den Garten. "Siehst du, es gibt doch einen Osterhasen!" ruft sie begeistert.

"Sag mal, hast du die Eier im Garten versteckt?" fragt der Mann seine Frau. Aber die schüttelt bloß den Kopf. "Vielleicht waren es Müllers von nebenan. Ich gehe mal fragen." -
Aber Müllers waren es auch nicht. Die sind genauso überrascht, weil auch in ihrem Garten Ostereier liegen. Der ganze Ort ist auf den Beinen und sucht.

Zufrieden kauert Knocke unter der Hecke. "Siehst du jetzt, dass es kein Märchen ist", sagt er bereits zum dritten Male.
"Wo hast du die Eier her?" fragt Mutter Hase ungläubig.

"Großes Osterhasengeheimnis!" prahlt Knocke. "Oder glaubst du etwa, der Osterhase würde sein Geheimnis verraten?"


Ute Keil - aus:   Morgen kommt der Osterhase (Georg Bitter Verlag)