aamamamamamaIhr Titel
aber auch Drucke, Bilder, Gemälde usw.

AUDIO

Autoscooter

 Luisa ist ziemlich sauer auf Sonja, aber eigentlich noch viel mehr auf Jonas. Bloß weil Sonja  so lange blonde Locken hat und immer so dämlich grinst, fahren alle Jungs auf die ab. Das Schlimmste ist, dass Jonas jetzt mit der zusammen zum Jahrmarkt gehen will, obgleich er es doch ihr, Luisa, versprochen hat. Wütend tritt sie eine Kastanie in den Rinnstein. Kein Wunder, mit ihrem blöden Grinsen kriegt Sonja alles von ihren Eltern, wovon Luisa nur träumt: Schnobkram, den sie großzügig verteilt, schicke Klamotten, Ballettunterricht und natürlich diese blauen Autoscooter-Chips, mit denen sie Jonas gekapert hat. Wenn Luisa jetzt nicht aufpasst, schnappt sie ihn ihr noch ganz weg. Dabei ist Jonas ihr bester Freund.

Mit einem Fuß unten und einem oben balanciert sie den Rinnstein entlang. Ohne dass sie es beabsichtigt hätte, steht sie auf einmal auf dem Jahrmarkt. Wie öde es hier morgens ist. Die Schausteller bauen ihre Buden auf. Sonja streicht um die Autoscooterbahn herum. Der Besitzer schiebt gerade einen Wagen nach dem anderen eine kleine Rampe hinauf. Dann zieht er die Rampe ein, obgleich hinter der Bahn noch ein Wagen steht. Ein feuerroter, fast der schönste von allen.

„He“, ruft Luisa, “du hast einen vergessen.“

Der Mann dreht sich um. „Ach der“, ruft er und winkt ab. „Den kann ich nicht gebrauchen, der ist kaputt. Wenn du willst, darfst du dich hineinsetzen.

Luisa klettert in den Wagen und dreht am Lenkrad. „Fährt der nur in deinem Karussell?“ fragt sie neugierig.

„Nein“, antwortet der Mann. „Das ist ein ganz besonderer Wagen. Der fährt überall, aber das ist eigentlich ein Geheimnis. Manchmal hole ich damit meine Freundin ab, und wir fahren ans Meer. – Das funktioniert aber nur, wenn man verliebt ist“, flüstert er ihr zu zwinkert dabei mit den Augen.

„Ich bin verliebt“, flüstert Luisa zurück. „Wenn ich dir den Wagen repariere, darf ich dann damit  fahren ?“

„Wenn du das schaffst“, verspricht der Mann, „gehört der Wagen dir für einen ganzen Tag, und du kannst mit deinem Freund fahren, wohin du willst.“

Das muss er nicht zweimal sagen. Luisa rennt nach Hause und holt alles, was sie an Werkzeug auftreiben kann. Aber was sie auch damit anstellt, der Wagen bleibt stumm. Erst als sie enttäuscht in die Sitze sinkt, fällt ihr Blick auf den Schlitz. Ein kleiner blauer Chip hat sich darinnen verklemmt. Luisa nimmt ein Stück Draht und dreht und tut und macht und rüttelt und klopft und bettelt und schwitzt. Und tatsächlich, kurz bevor der Jahrmarkt beginnt, macht es auf einmal klick, und der Chip gibt nach.

Der Mann schaut überrascht auf, als er den roten Scooter hinter der Bahn schnurren hört, aber er hält sein Versprechen. Er bedankt sich bei Luisa mit einer riesengroßen Tüte blauer Chips, groß genug, um damit ein ganzes Wochenende spazieren zu fahren.

 

Luisa parkt den feuerroten Scooter genau in dem Augenblick vor Jonas Haustür, als das Auto von Sonjas Mutter vorfährt, und schnappt ihr dabei auch noch die letzte Parklücke vor der Nase weg. Dann hupt sie ganz laut, damit Jonas sie auch hört.

Sonja guckt ganz schön doof, als der in Luisas Scooter steigt. Und ihr dämliches Lächeln hat sie diesmal wohl im Schrank vergessen. Jonas hat nicht einmal Zeit, zu ihr hinzusehen, weil Luisa ihn den Scooter sogar selber steuern lässt.


     Ute Keil – (Aus Geschichtenbuch Herbst + Winter, Herder Verlag)